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Die Veränderungsdynamik der Krise nutzen für eine agilere Organisation

Andrea Tenorth • Mai 06, 2020

Es ist soweit: der Lock-Down wird Stück für Stück gelockert. Aber was heißt das für Ihr Unternehmen? Ist die Arbeitswelt dann wieder wie vorher? Kehren wir 1:1 zur alten „Normalität“ wieder zurück? Ist das wünschenswert? Sicher ist derzeit  nicht alles Gold, was schnell neu aufgesetzt oder organisiert wurde. Aber einiges klappt erstaunlicherweise besser als gedacht.

Wenn Sie einen Schritt zurück treten und von „außen“ auf die Situation schauen, hat die Corona-Krise unsere „VUCA -Welt“ noch beschleunigt, vor allem aber sichtbar gemacht:

V – volatil; Dinge/Vorgaben/Erkenntnisse sind nicht mehr unverrückbar oder „in Stein gemeißelt“, sondern sind flüchtig und haben keine lange Haltwertzeit.
U – unsicher; Zahlen sind nicht verlässlich, Planungen gehen nur noch sehr kurzfristig, Maßnahmen funktionieren nur mit „Try and Error“.
C – komplex (engl. Complex); viele haben erst in den letzten Wochen so richtig erlebt, wie vernetzt wir in unserer Arbeits- und Privatwelt, aber auch wie abhängig wir voneinander sind. Patienten uvon einem funktionierenden Gesundheitssystem und hohem Arbeitseinsatz von Ärzten und Pflegekräften, Eltern von Kitas und Schulen, Unternehmen von Zulieferern und Kunden, Kommunikation von IT, etc.
A – ambivalent; Ist es wirklich nur Krise oder auch die Chance, Dinge neu zu bewerten und auszuprobieren? 
Es ist tatsächlich beides und es lässt sich auch nicht komplett in die eine oder andere Richtung drehen oder drängen. Es gilt, die Spannung, die Ambivalenz, die Ambiguität auszuhalten, und zwar für jede und jeden: Wie gehe ich persönlich damit um, wenn ich als Führungskraft meinen MitarbeiterInnen keine eindeutigen Vorgaben machen kann? Oder als MitarbeiterIn, wenn ich nicht weiß, wie lange ich noch angestellt bin? Oder als Eltern, wenn die Kinder sich Erklärungen für Dinge wünschen, die ich selbst nicht verstehe?

Natürlich sind das keine total neuen Erfahrungen, aber neu ist, das alle auf der ganzen Welt diese Erfahrungen gerade am eigenen Leib machen und gezwungen sind, damit umzugehen und Handlungsstrategien zu finden.
Was sagte unser Präsident Walter Steinmeier: „Die Krise holt das Schlechteste, aber auch das Beste aus den Menschen heraus“.

Statt nur einfach immer weiter im „Komfort-Fahrwasser“ zu agieren, haben wir gerade gelernt oder lernen gerade,
- Auf Sicht zu fahren,
- Sich mit kleinen („Baby“-)Schritten voran zu tasten,
- Dinge auszuprobieren, Fehler in Kauf zu nehmen, nachzubessern,
- Menschen Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitmenschen anzuvertrauen,
- MitarbeiterInnen Eigenverantwortung im Homeoffice zu geben,
- Welche MitarbeiterInnen Verantwortung übernehmen können und wollen,
- Welche IT-Systeme wir zwingend brauchen (und welche nicht),
- Welche Sitzungen und Konferenzen wir brauchen (und welche nicht),
- Wo wir schon Methoden und Tools haben, um flexibel und agil zu arbeiten,
- Worüber wir uns wirklich verständigen müssen (und worüber nicht), u.v.m.

Das heißt, wir alle machen gerade die Erfahrung, agiler zu arbeiten oder arbeiten zu müssen als wir das vielleicht bisher gemacht haben: Agile Arbeitsweisen zu nutzen wie Daylies zur Absprache für alle, die im Homeoffice verstreut sind. Agiler Führen, indem wir den MitarbeiterInnen mehr zutrauen und vertrauen. Verantwortungsvoller Handeln, weil wir als MitarbeiterInnen mehr auf uns selbst gestellt sind.

Ist das wirklich nur ein „Notnagel“ oder liegt darin nicht auch ein ungeheures Potenzial, Arbeitsorganisation, Arbeitskommunikation sowie Führungs- und Unternehmenskultur zu verändern zu mehr Agilität? Um so gerüstet zu sein für die vielen neuen, ungewohnten Dinge durch eine veränderte Wirtschaftslage, aber weiterhin auch neue Technologien und sich verändernde Märkte, die da sicher kommen werden?

30 Tage braucht der Mensch im Allgemeinen, um sich durch tägliche Wiederholung an neue Verhaltensweisen zu gewöhnen, einen ersten „neuronalen Trampelpfad“ von neuen Arbeitsweisen neben die „neuronale Autobahn“ der alt eingefahrenen Praktiken anzulegen. Wir haben jetzt Ende April, also: Warum nicht, wenn so viele sich bereits zart an neue Arbeitsweisen gewöhnt haben, vor oder mit dem „Hochfahren“ zur Normalität Reviews auf das, was wir in der Krise gemacht haben, abhalten? Und genau in Retrospektiven darauf schauen, wie wir zusammengearbeitet und kommuniziert haben?

Das ist die Chance, die wir alle haben: Nach so vielen Wochen der gemeinsamen Erfahrung sich einen Tag im Workshop (am besten professionell begleitet) Zeit zu nehmen, gemeinsam zu reflektieren, was im Team und/oder im Unternehmen gelebt und erlebt wurde. Welche Prozesse anders auch funktionieren. Wo Nachjustierung zwar nötig ist, aber die Rückkehr zu alten Arbeitsweisen nicht unbedingt wünschenswert ist. Reflektieren, was vielleicht methodische Unterstützung braucht. Professionalisieren, was als Experiment in der Notsituation gestartet wurde.
Dazu gibt es in den agilen Methoden und Frameworks, aber auch in der Organisationsentwicklung viel Handwerkszeug für Zusammenarbeit, Kommunikation, Führung und Teamentwicklung. 

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